ICU-Rehab

From A2F to F2A


Newsletter Juni 2024

Liebe Kolleginnen und Kollegen

Wir hoffen, dass es Euch allen gut geht.
Wir haben für Euch eine interessante Sammlung von neuen Studien zur Frührehabilitation, und den Newsticker mit Frühreha, Delir, Outcome und Sonstigem zusammengestellt.

Noch eine Anmerkung: Sabrina geht nun für ein Jahr nach Australien, um dort als Post-Doc bei Prof. Carol Hodgson, der Queen of ICU Rehabilitation, ihre Kompetenzen und Erfahrungen weiterzuentwickeln. Wir werden weiter die Newsletter schreiben, aber aus unterschiedlichen Zeitzonen … Sabrina, wir alle wünschen Dir eine gute Reise und eine tolle Zeit in Down Under!

Viel Spaß beim Lesen des Newsletters!
Sabrina & Peter


UMFRAGEN

PEAiCE - Was machen Physiotherapeut:innen auf Intensivstationen?
Europaweiter Survey zu therapeutischen Tätigkeiten von Physiotherapeut:innen auf Intensivstation. Achtung: bitte nur eine Antwort pro Intensivstation – idealerweise von der zuständigen Physiotherapeut:in!
Link (Deutsch)

Umfrage zur Anwendung von Ultraschall im Akutkrankenhaus / Intensivstation für die respiratorische und skelettale Muskulatur, darf von Nicht-Benützer:innen, Anfänger:innen oder Expert:innen aller Professionen ausgefüllt werden.
Link (Englisch)


WEBINARE

09.07. DIVI Sektion ICU-Rehab: Palliative Critical Care aus der Perspektive der Pflege
19.00-20.00 Referentin: M. Schallenburger Bei DIVI
registrieren

24.07. DIVI Sektion Pflegeforschung - Entwicklung der Notfallpflege
17.00-18.00 Referent nn. Bei DIVI
registrieren

29.07. Familienfreundliche Intensivstation (Kooperation mit UKSH)
18.00-18.45 Referent: P. Nydahl
Link Code "DIVI4Rehab"


STUDIEN

Sekundäre Analyse des TEAM Trials: Diabetes als Risiko bei hochintensiver Frühmobilisation
Der
TEAM Trial ist die bisher grösste Studie zur Frühmobilisation (49 Zentren in 6 Ländern, n=750), wobei beide Gruppen frühmobilisiert wurden: eine Gruppe nach dem traditionellen Modell (progressiv aufbauend) und die andere Gruppe mit einem hochintensivem Modell (höchstmögliches Level so lange wie möglich). Nun kommt die erste Post-Hoc Analyse, welche die Wirkung von hochdosierter Frühmobilisierung gegenüber der üblichen Mobilisierung auf die 180-Tage-Mortalität bei Patient:innen mit (21%) und ohne Diabetes untersuchte. Dabei fanden die Autor:innen Hinweise auf eine Heterogenität der Behandlungswirkung nach Diabetesstatus (d.h. der Nutzen der hochdosierten Frühmobilisation bei einigen Patient:innen wurde durch den Schaden bei anderen Patient:innen ausgeglichen). Eine hochdosierte Frühmobilisation bei Patient:innen mit Diabetes im Vergleich zur traditionellen Behandlung beeinflusste die Anzahl der Lebenstage ausserhalb eines Krankenhauses (bis Tag 180) nicht signifikant. Allerdings erhöhte die frühzeitige Hochdosis-Mobilisierung das Sterberisiko innerhalb der 180-Tage (30% vs. 18%, p=0.044). Ansonsten gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen Patient:innen mit und ohne Diabetes. Mögliche Erklärungen liefert eine Untergruppe von Patient:innen mit Diabetes, wobei eine hochintensive Mobilisierung die Wahrscheinlichkeit einer schweren Hyperglykämie, Hypoglykämie, Tachykardie, Bradykardie und Hypotension, die eine Vasopressoren erhöhte. Ebenfalls gab es bei Studienbeginn Unterschiede wobei Patient:innen mit Diabetes ein höheres Alter, einen höheren BMI, mehr Gebrechlichkeit und einen höheren WHODAS-Wert (=schlechterer Gesundheitszustand) auswiesen. Außerdem wurden sie mit einem höheren PEEP-Werten beatmet, erhielten häufiger Vasopressoren und hatten höhere APACHE II Werte. Allerdings blieb die Sterblichkeit trotz Anpassung an diese Variablen in Sensitivitätsanalysen erhöht. Wichtig: diese Analyse war nicht ursprünglich geplant und ist entsprechend ausschliesslich hypothesengenerierend. Eine individuell angepasste Dosierung (nach traditionellem Modell progressiv aufbauend) scheint aber gerade bei diesen schwerkranken Personen auf jeden Fall angepasst.
Serpa Neto A, Bailey M, Seller D, et al. (2024).
Impact of High Dose Early Mobilization on Outcomes for Patients with Diabetes: A Secondary Analysis of the TEAM Trial. Am J Respir Crit Care Med.. Und ein Editorial von

Probleme mit dem Gleichgewicht nach einer kritischen Erkrankung?
In dieser großen deutschen Studie wurde die Messeigenschaften des Mini-BESTest‘s sowie die Gleichgewichtsfunktion bei Patient:innen (n=250) nach einer (langen!) kritischen Erkrankung bei Ein- und Austritt in/aus der Neurorehabilitation untersucht. Insgesamt zeigte die Mehrheit der Überlebenden eine CIP/CIM (80%) und/oder ICUAW (87%). Die Gleichgewichtsfunktion und Gehfähigkeit waren stark beeinträchtigt. Bei Aufnahme waren 35% nicht in der Lage zu gehen (FAC = 0), der Medianwert des Mini-BESTest lag bei nur 5 (maximal 28 Punkte). Allerdings verbesserte sich während der Neurorehabilitation die Gleichgewichtsfunktion und die Gehfähigkeit erheblich. Trotzdem war das Gleichgewicht bei vielen Patient:innen bei der Entlassung immer noch ziemlich beeinträchtigt (Mini-BESTest Median 18,5). Diese Gleichgewichtsstörungen sind erheblich und mit denen von Patient:innen mit Schlaganfall oder Morbus Parkinson vergleichbar. Entsprechend scheint der Bedarf für weitere Folgeuntersuchungen und Therapien in diesem Bereich auch nach einer Neurorehabilitation hoch.
Bezüglich den Messeigenschaften, zeigte sich der Mini-BESTest als sehr zuverlässiges (ICC > 0.9) und valides Instrument für Patient:innen nach einer schweren kritischen Erkrankung, es scheint daher für die klinische Praxis und die Forschung gut geeignet.
Egger, M., Finsterhölzl, M., Buetikofer, A. et al. (2024)
Balance function in critical illness survivors and evaluation of psychometric properties of the Mini-BESTest. Sci Rep.


Update Meta-Analyse von Waldauf et al. 2020
Die Autor:innen haben ihre frühere, rigorose Meta-Analyse aktualisiert und 15 RCTs aus den letzten 4 Jahren eingeschlossen. Insgesamt wurden nun 58 RCTs mit 5664 kritisch kranken Erwachsenen in die aktualisierte Meta-Analyse einbezogen, davon waren 9 RCTs zum Bettvelofahren, 17 mit neuromuskulärer Elektrostimulation und 32 mit progressiver Frühmobilisation. Keine der untersuchten Rehabilitationsstrategien beeinflusste die Sterblichkeit. Die progressive Frühmobilisation war die einzige Intervention welche im Gegensatz zu einer Kontrollgruppe die Dauer der mechanischen Beatmung um 1,8 Tage (mittlerer Unterschied, -1,76 Tage [-2,8 bis -0,8 Tage]) und die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation um 1,2 Tage (-1,16 Tage [-2,3 bis 0,0 Tage]; n = 45) signifikant verkürzte. Die aktualisierte Meta-Analyse stärkt früheren Ergebnisse, da alle neuen RCTs sehr konsistente Ergebnisse lieferten und die Heterogenität allgemein verringerten. Auch scheinen frühe passive Rehabilitationsmaßnahmen kaum klinischen Nutzen zu haben (in Bezug auf die inkludierten Outcomes). Eine frühe aufbauende Mobilisation ist demnach prioritär zu behandeln. Hinsichtlich der langfristigen funktionellen Ergebnisse bleiben die Ergebnisse noch unschlüssig und es sind weitere Studien nötig.
Jiroutková K, Duška F, Waldauf P. 2024
Should New Data on Rehabilitation Interventions in Critically Ill Patients Change Clinical Practice? Updated Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Crit Care Med


Erleben der Rehabilitation
Viele Intensivpatient:innen werden auf der Intensivstation rehabilitiert, unklar ist aber, wie sie verschiedene Einflussfaktoren für ihre Teilnahme wahrnehmen. Knutsen et al. (2024) aus Norwegen haben hierzu 13 Patient:innen phänomenologisch interviewt. Im Ergebnis konnten vier Hauptkategorien identifiziert: werden: a) ein fremder Körper, der nicht wie sonst aussieht oder funktioniert („Ich fühlte mich wie ein stillstehender Computer. Du drückst einen Knopf, aber nichts passiert“); b) von der Krise zur Neuorientierung, bei der die Krise mit all ihren Konsequenzen akzeptiert werden muss, um sich dann neu ausrichten zu können („Wenn Du krank bist, musst Du die Hilfe akzeptieren, die Du brauchst und Dich an die Situation anpassen“); c) Unterschiedliche Erwartungen bezüglich der Aktivität, da nicht immer klar war, was Pflegende erwarteten („Du liegst einfach da … niemand erwartet, dass Du etwas tust“); d) Pflegekraft-Patient-Interaktion, bei der positive Erwartungen und patientenzentrierte Interaktionen eine hohe Bedeutung hatten („Schließlich saß ich mit einem Pflege Schulter an Schulter auf der Bettkante und lachte. Das machte für mich einen Unterschied“). Die Autorinnen schlussfolgern, dass eine nach außen gerichtete Orientierung und die Reorganisation des Selbst durch Reduktion körperlicher Dysfunktionen, Akzeptanzstärkung und maßgeschneiderte Interaktionen sind entscheidend für die Patientenbeteiligung an der frühen Rehabilitation. Dieses Wissen kann die Pflegepraxis verbessern und die Genesung der Patient:innen unterstützen.
Knutsen K, Solbakken R, Gallagher S, Müller RT, Normann B.
Patients' experiences with early rehabilitation in intensive care units: A qualitative study about aspects that influence their participation. J Adv Nurs. 2024 May;80(5):1984-1996

Optimale Rehabilitation
Stabile Patient:innen mit längerem ICU-Aufenthalt profitieren am meisten von physischer Rehabilitation. Patient:innen mit höherer Krankheitschwere haben eher ICU-bedingte Komplikationen, profitieren aber dennoch von höherer Mobilität bei der Entlassung. Junge Trauma- und mittelalte Patient:innen profitieren besonders von einem frühzeitigen Beginn der Intervention (innerhalb von 72 Stunden). Aber was ist nach der Verlegung von der Intensivstation? Für viele Patient:innen ist dies erst der Beginn einer monate- und jahrelangen Rehabilitation. Mitarbeitende auf Intensivstationen sollten über das Überleben hinaus auf optimale physische Rehabilitation zur Genesung fokussieren. Dazu gehört die rechtzeitige Identifizierung geeigneter Kandidat:innen, koordinierte evidenzbasierte Interventionen mit Sedierungsunterbrechungen, regelmäßige Bewertung der Mobilisation und funktionaler Ergebnisse sowie die Berücksichtigung der Patientenerfahrungen zur Verbesserung der Intensivversorgung. Ausgezeichnetes Editorial!
Eggmann S, Timenetsky KT, Hodgson C.
Promoting optimal physical rehabilitation in ICU. Intensive Care Med. 2024 May;50(5):755-757


NEWSTICKER
Interessante Studien, für Dich kurz zusammengefasst…

REHABILITATION

ECLS: Dieses systematische Review mit 17 Studien (996 Patient:innen unter extrakorporalem-Life-Support), fand eine ungewisse Auswirkung von Frührehabilitation versus Standardbehandlung auf die Sterblichkeit, die Aufenthaltsdauer, die Sicherheit oder andere Parameter. Rivera et al. (2024) Link

ARDS: Dieser Fallbericht einer 70-jährigen Patientin mit COVID-19-assoziiertem schwerem ARDS zeigt, dass wichtige Aspekte von Leitlinien wie Wachheit und körperliche Rehabilitation trotz lungenprotektiver Beatmung und Bauchlagerung erfolgreich umgesetzt werden kann. Seth et al. aus den USA (2024) Link

Vibration: in einem RCT mit 176 Intensivpatient:innen führte die tägliche 15minütige Vibration unter den Füßen im Sitzen (Bettkante/Stuhl) zu leichten, signifikanten funktionellen Verbesserungen bei Patient:innen-Subgruppen mit höherem BMI (≥23!), geringerem APACHE II (<19) und höheren Mobilisierungslevel (IMS ≥6). Doi et al (2024) aus Japan Link

Anstrengung: bei zehn beatmeten Intensivpatient:innen war nach Analyse der Kalorimetrie und Befragung der Patient:innen die morgendliche Grundpflege anstrengender als die physiotherapeutischen Übungen. Es zeigt damit, dass auch die normale Grundpflege eine Art Training darstellen kann (je nachdem, wie sie gestaltet wird), aber zwischen beiden Einheiten eine individuelle Pause zur Erholung stattfinden sollte. Wieder: Teamplay und -koordination sind essentiell. Beobachtungsstudie von Kwakman et al (2024) aus den Niederlanden Link

Nicht irgendwann, sondern jetzt: Andreas Fröhlich spricht über sein Lebenswerk, das Konzept Basale Stimulation. Inspirierend, erhellend, berührend. Video

Pyjama-Lähmung: Die Einführung eines multikomponenten Programms zur Anregung der eigenständigen Mobilität führte bei 32.884 Patient:innen im Krankenhaus dazu, dass mehr Patient:innen tagsüber Tageskleidung anzogen, weniger Stürze auftraten und Patient:innen früher und nach Hause entlassen werden konnten. Wai et al (2024) aus Kanada Link

Cycling: in einem RCT mit 360 beatmeten Intensivpatient:innen verbesserte 30 Minuten Cycling + Physiotherapie im Vergleich zu Physiotherapie alleine nicht die physische Funktion (PFIT-s) 3 Tage nach Verlegung. Die Interventionsgruppe startete am 2. Intensivtag und erhielt im Median 3 (2-5) Sessions Cycling a 27 Minuten; Physiotherapie startete auch am 2. Tag, es gab 4 (2-7) Sessions in beiden Gruppen und dauerte im Mittelwert 23 Minuten in der Cyclinggruppe und 29 Minuten in der Kontrollgruppe. Cycling führte nicht zu irgendwelchen Schäden. Kho et al (2024) aus Kanada Link

Cycling & Ernährung: in einem RCT mit 21 beatmeten Patient:innen zeigte 60-minütiges Cycling täglich und eine Kalorimetrie-angepasste Ernährung im Vergleich zur üblichen Versorgung (tgl. Physiotherapie und geschätzte Ernährungsgabe) einen Trend über 14 Tage zu weniger Muskelabbau in den Quadricepsmuskeln. Elizabeth et al (2024) aus Singapur Link

Dysphagie: in einer Meta-Analyse von 19 RCTs mit gering-moderater Qualität und 1096 kritisch kranken Patient:innen ohne orale Intubation (!) führte eine Rehabilitation der Dysphagie zwar zu einer geringeren 90-Tage Pneumonierate, aber verbesserte nicht Mortalität oder Lebensqualität. Die Autor:innen führen u.a. heterogene Studien an, mehr Forschung sei nötig. Kuriyama et al (2024) Link

Kommunikation: die Kommunikation mit Patient:innen mit geblockten Trachealkanülen erfordert verschiedene Techniken und hat bedeutsame Wirkungen für deren Befindlichkeit und Wohlbefinden, Patient:innen erleben aber auch Blickkontakt und Berührungen als wichtig. Diese Kommunikationstechniken haben in der Praxis ihre Tücken und sollten in einem gut geschulten, interprofessionellen Team umgesetzt werden. Übersichtsarbeit von McClintock et al (2024) Link

Familienintegration: In einer Übersichtsarbeit mit 28 RCT mit geringem Risiko der Verzerrung und 12.174 Teilnehmenden zeigte sich, dass fast zwei Drittel der RCT mit familienzentrierten Interventionen auf Intensivstationen die Ergebnisse für erwachsene Patient:innen verbesserten. Die Studien zeigten Verbesserungen im psychischen Outcome, der Zufriedenheit mit der Versorgung, Delirhäufigkeit, Tage an der Beatmung und auf ICU, physiologischen Parametern und der Dauer bis zur Entscheidung über lebensverlängernde Maßnahmen. Es gab keine Studien, die über schlechtere Patientenergebnisse berichteten (was mit einem unvoreingenommenen Blick auf einen Bias hinweisen könnte). Duong et al (2024) Link

Kinderbesuche im Krankenhaus: die Arbeitsgruppe ICU Kids hat eine CNE-Lerneinheit zu Besuchen von Kindern im Krankenhaus entwickelt. Die Lernkontrollfragen sind machbar! Brauchle et al. (2024) Link

Intensivtagebücher I: in einem RCT mit 70 Eltern von Frühgeborenen verbesserte das Schreiben von Intensivtagebüchern im Vergleich zur üblichen Versorgung die Angst-Inzidenz nach drei Monaten. Andere Effekte wurden zum Teil etwas überschätzt. Li et al (2024) aus China Link

Intensivtagebücher II: Die Erfahrungen von Pflegefachpersonen , die Tagebücher für Patient:innen mit ECMO schreiben: „Tagebuch schreiben hilft Pflegenden dabei, sich auf den Kern ihrer Profession zu besinnen und warum sie pflegen“. Qualitative Studie von Norton et al. (2024) Link


DELIR

DyDel: Bei 213 gemischten Intensivpatient:innen führte die Intervention DyDel (Dynamic Delirium, ein Maßnahmenbündel aus Humanizing Critical Care mit u.a. ABCDEF-Bundle, kognitiven Anregungen, Schlafförderung, spirituelle Unterstützung) vs üblicher Versorgung zu weniger und kürzerem Delir. Klingt gut, aber hohes Risiko der Verzerrung. RCT von Tovar et al. (2024) aus Kolumbien Link

Beachtung: in einer Befragung von 103 Pflegefachpersonen in Irland gaben 85% an, dass ein Delir auf der Intensivstation zu erwarten sei, 45% bewerteten Delir als vermeidbare Komplikation und 31% untersuchten Patient:innen auf ein Delir. Die meisten Befragten erhielten eine diesbezügliche Bildung, die aber nicht in die Praxis umgesetzt worden ist. Meghani et al (2024) Link

WDAD 2023: in einer Umfrage zum Welt-Delirtag 2023 in Irland mit 132 Stationen zeigte sich, dass auf 60% der Stationen die persönliche Einschätzung statt validierten Assessments genutzt wurde, um bei Patient:innen ein Delir festzustellen. Bildung hilft zwar, aber es braucht auch Zeit, um Mitarbeitende zu schulen. Azizi et al (2024) Link

Vorhersage: in einer Untersuchung mit 878 geriatrischen Patient:innen ≥70 Jahre konnte ein Vorhersagemodell mit 13 Faktoren für ein Postoperatives Delir berechnet werden. Benovic et al (2024) aus Ulm Link

Pädiatrie: In einer Analyse von 17 Studien zeigte sich die CAPD als sensitiv für die Feststellung, die pCAM-ICU hingegen eher für den Ausschluss eines Delirs. Übersichtsarbeit von Rohmah et al (2024) Link, dazu ein Editorial von Gargadennec et al (2024) Link


OUTCOME

ChatGPT zur Vorhersage: Bei 80 Patient:innen nach moderaten bis schweren Schädelhirntraumen eignete sich ChatGPT im Vergleich zu Neuro-Intensivmediziner:innen bzw Nicht-Neuro-Intensivmediziner:innen nicht zu einer korrekteren Vorhersage des Outcomes nach 6 Monaten (AUC-ROC 0.62 (0.50–0.74), 0.70 (0.59–0.82), 0.71 (0.59–0.82). Gakuba et al (2024) Link

ETHICUS-2: in einer Befragung von 199 Intensivstationen in 36 Ländern wurde deutlich, dass Pflegefachpersonen sehr unterschiedlich in Besprechungen über Entscheidungen der Therapielimitierung einbezogen werden, am häufigsten erfolgt dies in Europa. Sekundäranalyse der ETHICUS-2 Studie von Benbenishty et al (2024) Link

Gebrechlichkeit: Diese Beobachtungsstudie mit 700 Patient:innen >50 Jahre fand, dass die Inzidenz der Gebrechlichkeit nach einen Intensivstationsaufenthalt steigt. Interessanterweise war diese nach 6 Monaten wieder sinkend, eine Rehabilitation könnte sich demnach auch für gebrechliche Menschen lohnen. Allerdings ist Gebrechlichkeit mit einer höheren Mortalität (Survivors Bias) sowie Einschränkungen im Alltag verbunden. Es braucht also zwingend auch Interventionsstudien für diese Population! Muscedere et al. (2024). Link


GEMISCHTES

Zwerchfellschutz: eine mechanische Beatmung kann zur Dysfunktion des Zwerchfells führen, eine Überwachung des Diaphragma-Aktivität kann helfen, schädliche Über- oder Unteranstrengungen zu vermeiden, Zeiten von Inaktivität sollten so kurz als möglich gehalten und somit minimale Sedation und eine rasche Extubation angestrebt werden. Editorial von Goligher et al. (2024) Link

PEEP & Hirndruck: bei 109 beatmeten Patient:innen mit Schädelhirntrauma führte eine PEEP-Erhöhung (Mittelwert 6 bis 9 cmH2O) zu einer nicht-signifikanten Erhöhung des Hirndrucks (10 bis 11 mmHg), wichtiger waren aber statt absoluter Werte der Delta-PEEP, -Driving Pressure und -Compliance mit geringer Korrelation. Barea-Mendoza et al (2024) aus Spanien Link

Ventilator-assoziierte Hirnschädigung (Ventilator-associated Brain Injury VABI): eine lungenschonende Beatmung könnte auch für das Hirn gut sein. Hirn-protektive Beatmung könnte zu einer Verbesserung des cerebralen venösen Rückstroms, reduziertem HZV, besserer zerebraler Perfusion, Oxygenierung und damit verbessertem kognitiven Outcome führen. Statement von Bassi et al (2024) mit viel Forschungsbedarf Link

Verlegungsmodalitäten: in einer Umfrage bei 219 Mitarbeitenden in 40 Ländern zu den Entlassungsmodalitäten von Intensivstationen wurde deutlich, dass diese sehr heterogen sind. In der Praxis kommen verzögerte, aber auch frühzeitige Verlegungen häufig vor. Die Hälfte der Befragten haben interne Regelungen hierzu, nur ein Drittel Transferkriterien. Transparente Regelungen könnten den Bettenflow verbessern. Hiller et al (2024) Link

Lärmbelästigung: Eine Umfrage unter 147 Intensivpflegenden, die 16 verschiedene Lärmquellen auf der Intensivstation als mehr oder weniger störend einstufen sollten, ergab eine Diskrepanz zwischen dem empfundenem und dem tatsächlich gemessenen Lärmpegel. Es wäre interessant, dazu auch Patient:innen zu befragen. Dwairi et al (2024) aus Ägypten Link

Humanisierung der pädiatrischen Intensivversorgung: in einer Übersichtsarbeiten konnten 100 Studien zur Humanisierung der pädiatrischen Intensivversorgung zu den Aspekten Kommunikation, Wohlbefinden der Patient:innen und Familien, Fürsorge für das Team, Post-Intensive-Care-Syndrom, Versorgung am Lebensende und humanisierte Infrastruktur in unterschiedlicher Gewichtung identifiziert werden. Mehr Forschung ist vom allem zur Implementierung nötig. Garcia-Fernandez et al (2024) Link

Bewegung: In der Analyse von verschiedenen Beobachtungsstudien mit 232.149 Teilnehmenden zeigte sich, dass Laufen/Joggen die Risiken für allgemeine Sterblichkeit um 27% senkt, selbst wenn es nur einmal pro Woche ist. Meta-Analyse von Pedisic et al (2020) Link

Long COVID: Eine randomisierte Studie (n=155) fand keine signifikanten Verbesserungen von Müdigkeit, „Brain Fog“, Körperschmerzen, kardiovaskulären Symptomen, Kurzatmigkeit oder gastrointestinalen Symptomen nach einer 15-tägigen Behandlung mit Nirmatrelvir-Ritonavir (Paxlovid). Geng et al. 2024 (2024) Link


Was wir nicht erwähnt haben: zugegeben, die Auswahl der hier berichteten Studien ist willkürlich und interessiert Euch hoffentlich. Dennoch gibt es in jedem Newsletter Studien, die wir bewusst nicht erwähnen, weil sie u.a. im Volltext in uns fremden Sprachen, in umstrittenen Fake-Science-Verlagen, mit fragwürdigen Methoden, Ergebnissen oder Schlussfolgerungen oder aus ähnlichen Gründen publiziert worden sind.
Aber auch wir lesen nicht alles: sollten wir eine erwähnenswerte Studie übersehen haben, so sind wir dankbar für einen Hinweis!


Bleibt in Bewegung und bleibt gesund
Im Namen der DIVI Sektion Intensivmedizinische Frührehabilitation grüßen
Sabrina Eggmann & Peter Nydahl



Dr. Sabrina Eggmann, Physiotherapeutin, MSc, Institut für Physiotherapie, Inselspital, Universitätsspital Bern, Schweiz, bzw. Monash University Melbourne, Australien

PD. Dr. Peter Nydahl, GKP, BScN MScN, Pflegeforschung und -entwicklung, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, Deutschland

Diese Website setzt u.U. nur technisch notwendige Cookies. Daten zu Drittanbietern werden anonymisiert.